Seit einiger Zeit schon treibt mich der Gedanke um effektive Fortbildungen in der Lehrerwelt um. Nach dem Aufruf zur Blogparade der Bildungspunks und einem sehr authentischen und ehrlichen Text vom großartigen Sebastian Schmidt habe ich mir nun ein Herz gefasst und mich auch daran gesetzt. Man könnte meinen, es sei nicht so schwer, einen Artikel zu schreiben. Das Thema Fortbildung von Lehrkräften ist für mich aber eines der wichtigsten Themen unserer Zeit.
Es kommt auf die Haltung an. Lehrkräfte begegnen gesellschaftlichen Entwicklungen mit unterschiedlicher Haltung. Ich sage gerne, wir müssten „zwischen blindem Aktionismus und sturer Verweigerung einen gemeinsamen Weg finden“. Denn beide Extreme führen zu Problemen. Durch die Ablehnung zeitgemäßer Medien entfernt sich Schule immer weiter von der Lebenswirklichkeit der Lernenden und wird dadurch irrelevant. Springen wir aber auf jeden Hype-Train auf, ohne uns dabei Gedanken um Konsequenzen zu machen, verhärten sich dadurch die Fronten. Je schneller die Innovatoren vorne weg laufen, umso mehr haben die Verweigerer das Gefühl, auf die Bremse treten zu müssen. Wir brauchen eine inhaltliche Diskussion, in der jeder jeden ernst nimmt und alle an einem gemeinsamen Strang ziehen. Und dabei ergänzen sich diejenigen, die gute Ideen für die Zukunft haben, mit denen, die skeptisch überlegen, in welcher Zukunft sie eigentlich leben wollen. Für mich ist der zentrale Begriff im Bereich Fortbildung eigentlich die Haltung der Lehrenden. Egal, ob man es als „lebenslanges Lernen“ (LLL) oder „Growth Mindset“ beschreibt, wir brauchen Weiterentwicklung statt Stillstand, wenn wir die bereits entstandene Lücke wieder schließen wollen. Wir müssen die Probleme als Herausforderung begreifen und den Prozess selbst gestalten und lenken, anstatt blind mitzulaufen oder gar stehen zu bleiben.
Effizienz als Problem. Unser Schulsystem im aktuellen Zustand ist eine Zumutung für Lehrkräfte, Lernende und alle Beteiligten. Meine persönliche Erfahrung aus dem Schulalltag ist: Man arbeitet alle Pflichtaufträge (Korrekturen, Unterrichtsvorbereitung, Elterngespräche, Konferenzen und den Unterricht selbst) ab und dann hat man eigentlich schon Überstunden gemacht. Jetzt noch fortbilden? Das ginge in der Freizeit. Aber da möchte man sich vielleicht um die eigenen Kinder, den Haushalt oder gar um Sport und Erholung kümmern. Man kann sich für Fortbildungen vom Unterricht freistellen lassen. Aber dann weiß man, dass die Kolleginnen und Kollegen einspringen und extra Stunden arbeiten. Und man muss die Vertretungsstunden ja auch vorbereiten. In der Regel sogar noch intensiver als eine normale Stunde, da man ja selbst nicht vor Ort dabei sein kann. Außerdem dürfen Lehrkräfte in der Regel auch Aufgaben übernehmen, die sie gar nicht machen sollen. Sei es das Verwalten personenbezogener Daten (z.B. Allergie-Abfragen vor der Klassenfahrt – eigentlich Aufgabe einer Verwaltungsfachkraft) oder die Administration der Computer im Schulgebäude (eigentlich Aufgabe einer IT-Fachkraft des Schulträgers). Aber wie soll es auch anders gehen, wenn das Sekretariat nur mit einer Stelle auf 1000 Lernende besetzt ist und es beim Schulträger keine IT-Fachkräfte gibt. Auch andere Fachkräfte wie Schulsozialarbeiter sind spärlich gesät. Die Vielfalt und Menge an Aufgaben kann von ein paar Lehrkräften sicher bewältigt werden. Viele landen stattdessen aber im Burnout oder geben die Hoffnung auf, tatsächlich etwas bewirken zu können. Ausbaden dürfen diesen Frust und Stress letztlich die Lernenden, deren Lehrer frühs kaum stehen kann, weil er bis nachts um 4 Klausuren korrigiert hat, um die Frist einzuhalten (habe ich bei Kolleginnen und Kollegen nicht nur einmal erlebt). Wir brauchen in einem Kollegium, dass täglich aufeinander sitzt und dabei hunderte (wenn nicht tausende) Lernende versorgen soll, Maßnahmen für Teambuilding, Rekreation, Erholung. Aber in Schulen findet man nicht mal eine bequeme Sitzmöglichkeit für Lehrende. Aber wozu auch, sie kommen ja nie zum Sitzen. Das aktuelle System stellt Effizienz über das Wohl der Lehrenden und damit auch das Wohl der Lernenden. Und die Konsequenz ist ein Teufelskreis, der sich stetig verschärft. Die schlechten Bedingungen sind Berufsanwärtern nicht unbekannt, es gibt keinen Anreiz Lehrer zu werden und weniger Bewerber. Die Unterbesetzung kann ja nur durch Mehrarbeit der anderen Lehrkräfte ausgeglichen werden. Man sollte meinen, Schulleitungsmitglieder bekämen für die Mehrarbeit angemessene Entlastungsstunden. Sie bekommen in erster Linie mehr Geld, um einen Anreiz zu haben, mehr Überstunden zu machen. Denn den Unterricht muss ja trotzdem jemand geben. Außerdem werden immer mehr Quereinsteiger und teilweise auch Studenten ohne irgendeinen Abschluss nach dem Abitur zum Unterrichten in Vollzeit herangezogen. Die Fortbildung kann leider nicht innerhalb der Woche statt finden, da ja Unterricht ausfällt. Der Unterricht wird aber von Jahr zu Jahr schlechter, da die Lehrkräfte sich nicht fortbilden. Im Worst Case hat Unterricht statt gefunden, aber die Jugendlichen wenig gelernt. Schule ist dann immer weniger Lernort und immer mehr Kinderbetreuung. Die Unterrichtsqualität sinkt durch Überlastung und fehlendes Personal, die Arbeitsbedingungen werden noch weiter verschärft, der Beruf noch unattraktiver und der Kreislauf beginnt von vorn. Und nur zu gerne wird über Lehrkräfte geschimpft, die sagen „Die Herausforderung der Digitalisierung ist zu groß für mich. Ich konzentriere mich darauf, meine ganzen anderen Aufgaben gut zu machen und vielleicht bleibt dann noch Zeit für meine eigenen Kinder.“ Dabei ist das eine nüchterne und realistische Analyse der Situation. Und diese anderen Aufgaben sind ja nicht weniger wichtig: Inklusion, Begabtenförderung, Ganztagsangebote, gesunde Ernährung, bewegte Schule, politische Bildung, Mediation, Mobbing, usw.
Empathie als Lösung. Sollen empathische und selbstständige Lernende die Schule verlassen, müssen wir genauso auch mit den Lehrkräften umgehen. Wir müssen ihre Sorgen, Ängste und Bedürfnisse ernst nehmen. Was spricht gegen eine bequeme Sitzecke? Eine gemeinsame Freistunde für Lehrer, die gerne gemeinsam Sport machen wollen? Einen guten Kaffeeautomaten, der von den Lehrkräften nicht selber finanziert und organisiert werden muss? Es sind die kleinen Dinge, die das Arbeitsklima verbessern. Und wollen wir die Haltung der Lehrkräfte verändern, braucht es einen guten Nährboden dafür. Läuft ein Motor auf Hochtouren kurz vorm Überhitzen, wird niemand auf die Idee kommen, ihn zu reparieren. Man hält an, lässt den Motor abkühlen, sucht Fachpersonal für die Reparatur, analysiert das Problem und dann repariert man den Motor. Natürlich kommt man in dieser Zeit nicht vom Fleck. Aber will man mit dem Wagen am Ziel ankommen, muss man Pausen einplanen. Und wir können es uns nicht leisten, die paar qualifizierten Lehrkräfte, die wir in Deutschland haben, aufgrund von Burnout zu verlieren. Neben Wertschätzung und Anerkennung für den Lehrerberuf (und das muss von Schulleitung, Eltern, Gesellschaft und den eigenen Kollegen kommen) ist eine angemessene Diskussionskultur in Schulen nötig. Zu oft werden Probleme auch zwischen Kolleginnen und Kollegen ungelöst hingenommen. Als Kollegium muss ein Team sein und dazu gehört Austausch, Zusammenarbeit und eine konstruktive Konfliktlösung. Wir müssen Lehrkräften mehr Freiraum und Luft verschaffen, damit sie selbst den Willen entwickeln können, sich weiter zu bilden. Wir müssen Lehrkräften Anerkennung für ihre Qualifikation und Verantwortung in der Schulentwicklung geben. Nur dann kann Fortbildung Erfolg haben.
„Fortbildung“ wörtlich nehmen. Unter dem Begriff „Fortbildung“ haben wir ganz klare Vorstellungen. In der Regel fährt man irgendwo hin und lässt sich von jemandem, der schlauer ist, als man selbst, berieseln. Dieses Konzept ist nicht mehr zeitgemäß. Deswegen nennt man Fortbildungsangebote heute oft anders. Bei #molol19 gibt es „Workshops“ oder „Talks“. Diese Begriffe suggerieren eine neue Form der Veranstaltung. Man arbeitet oder redet gemeinsam. Auf Augenhöhe. „Barcamps“ gehen sogar noch weiter. Das Bild suggeriert, dass man gemeinsam an einer Bar sitzt. Weg von der Formalie, hin zur Gemeinsamkeit. Gemütlichkeit. Hier steckt so viel des oben beschrieben drin. Die Lehrkräfte wollen ernst genommen werden. Sie haben Jahre lang studiert und trotzdem müssen sie sich von schlaueren Leuten berieseln lassen? Sie wollen anerkannt werden. Sie wollen auf Augenhöhe über die Probleme vor Ort reden. Und während wir uns im Sprachgebrauch vom Wort „Fortbildung“ immer weiter entfernen, nähern wir uns etymologisch immer näher an. Man bildet sich. Fortwährend. Es ist eine aktive Handlung, die von Lehrkräften intrinsisch motiviert sein muss. Dazu (und das hat Sebastian Schmidt sehr gut auf den Punkt gebracht) müssen Lehrkräfte befähigt und nicht berieselt werden.
Eigenverantwortliches Lernen – auch bei Lehrkräften. Wenn wir wollen, dass die Inhalte der KMK im Unterricht ankommen, müssen Lehrkräfte sich aktiv damit auseinandersetzen. Sie müssen selber aktiv werden und die Inhalte erarbeiten. Deshalb sind schulinterne Fachcurricula und Medienkonzepte unabdingbar. Die Inhalte müssen bewusst verarbeitet, für die eigene Schule individuell neu strukturiert werden. Nicht, damit wir hinterher 20.000 Medienkonzepte haben, die niemand liest. Sondern weil die Lehrkräfte sich in diesem Prozess bewusst mit der Thematik auseinander setzen. Was wollen wir eigentlich mit unserem Unterricht erreichen? Was heißt für uns guter Unterricht? Welche Rolle spielen dabei digitale Medien? Welche Rolle spielen Fachinhalte? Welche Kompetenzen brauchen Lehrkräfte? Wo liegen im Unterricht die Prioritäten? Wo liegen in der Fortbildung die Prioritäten? Diesen Fragen muss sich jede Lehrkraft regelmäßig stellen. Das Ziel muss es sein, Lehrkräfte zur selbstständigen und kooperativen Auseinandersetzung mit den Inhalten zu motivieren und ihnen insbesondere den Freiraum dazu zu geben.
Konsequenzen für Fortbilder. Lehrkräfte brauchen keine Professoren, Doktoren, Twitter-Stars oder Talkshowhelden. Lehrkräfte brauchen keine Leute, die es besser wissen, als sie. Zumindest nicht immer. Lehrkräfte brauchen Berater. Sie brauchen Zuhörer und Ernstnehmer. Sie brauchen Unterstützer, Mutzusprecher und Vorbilder. „Hilf mir es selbst zu tun. Zeige mir, wie es geht. Tue es nicht für mich.“ (Maria Montessori). Lehrer fortzubilden ist nicht viel anders, als Lernende zu unterrichten. Denn das sollen sie sein. Lernende ein Leben lang. Für Schülerinnen und Schüler sind wir uns einig, dass stundenlanges Berieselnlassen keinen nachhaltigen Lerneffekt hat. Und das müssen wir bei Lehrkräften konsequent genau so handhaben. Deshalb müssen Fortbildungsveranstaltungen von Grund auf neu gedacht werden.
Zielgerichtet fortbilden. Viel zu oft werden in Schulen Schulentwicklungstage durchgeführt und man sucht dann ein passendes Thema zu Format. Und erstaunlicherweise wird das schon gar nicht mehr hinterfragt. Eigentlich sollte die Frage lauten: „Was will ich mit meiner Fortbildung eigentlich erreichen?“. Und gibt es verschiedene Gründe (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
- Orientieren, inspirieren, weiterentwickeln.
Schmort man immer nur im eigenen Saft, kann man sich nicht weiterentwickeln. Es ist von zentraler Bedeutung, über den Tellerrand zu schauen und sich von außen Anregungen zu holen. Hier kommen doch wieder die Professoren und Twitter-Stars ins Spiel. Leuchttürme, bei denen man sich inspirieren lassen kann. Fachexperten, die neue Methoden und Erkenntnisse teilen. Oder einfach andere Schulen, die sich auch auf den Weg gemacht haben. Typische Fortbildungsseminare sind hier wichtig und genauso wertvoll, wie Hospitationen in anderen Schulen. Vielleicht sogar in anderen Ländern. Ideen für den Unterricht und die Schule gibt es regional in der Nachbarschule oder global auf Twitter. Auch zu den großen Bildungskongressen fährt mal eine kleine Abordnung an Kolleginnen und/oder Kollegen. Allerdings sind das in der Regel keine Veranstaltungen für das ganze Kollegium. Vielmehr sollten kleine Gruppen dann die (über-)regionale Inspiration ins Kollegium tragen. Ein Schulentwicklungstag macht hier eher wenig Sinn, weil man es selten schafft, ein so breites und vielfältiges Angebot zu erstellen, dass alle Kolleginnen und Kollegen etwas sinnvolles mitnehmen können. - Austausch und Vernetzung im Kollegium.
Um diese neuen Impulse nicht verpuffen zu lassen, ist es nun wichtig, die Lehrkräften eine Gelegenheit zum Austausch innerhalb der Schule zu bieten. Ein Schulentwicklungstag im Barcamp-Format kann eine sehr gute Herangehensweise sein. Es bilden sich interessengeleitete Gruppen und die Lehrkräfte können Probleme formulieren und ihre Kolleginnen und Kollegen um Unterstützung bitten, sie können aktuelle Schulentwicklungsthemen diskutieren und sie können auch ihre Impulse von auswärts ins Kollegium tragen und die anderen Lehrende auf das gleiche Level holen und die konkrete Umsetzung in der Schule planen. Zu Austausch und Vernetzung im Kollegium gehören aber auch Hospitationen untereinander. Diese werden oft gefordert und in der Realität kaum umgesetzt (aus „Effizienzgründen“?). In Konferenzen können bewusst die Leistungen von Lehrkräften hervorgehoben werden. Und damit meine ich nicht nur Lob, wenn mal ein Wettbewerb gewonnen wurde. Sondern auch eine kleine Präsentation, wie die Lehrkraft vom Anfang bis zum Ende das Projekt begleitet hat und welche Arbeit, Mühe und Leistung dahinter steckt. Darüber hinaus kommen hier Learning-Snacks oder Mikro-Fortbildungen in Frage. Sonja Henning schafft hier tolle Beispiele mit ihrer digitalen Mittagspause und dem Kurs-Kiosk und bleibt dabei immer selbstkritisch und reflektiert den Nutzen. - Teambuilding und soziale Interaktion.
Wie bereits beschrieben brauchen Lehrkräfte Freiräume um den eigenen Tag zu entschleunigen. Eine kleine Sitzecke mit einem guten Kaffee-Automaten wirkt Wunder. Kollegiumsausflüge am besten gepaart mit Erlebnisorientierung (z.B. Kanu-Fahren) bringen mir bis heute die schönsten Erinnerungen. Hier ist insbesondere der Personalrat gefragt, benötigt aber auch Unterstützung aus der Schulleitung. - Haltungen verändern.
Haltungen verändern heißt Mauern abbauen. Es braucht Zeit für Gespräche und Lehrkräfte müssen sich gegenseitig ernst nehmen. Und hier muss sich wirklich jeder selbst an die Nase fassen. Man kann sich über den Kollegen oder die Kollegin mit der anderen Meinung ärgern. Man muss sich aber auch die Frage stellen, woher diese Haltung kommt. Und wenn man sie ernsthaft verändern will, darf man diese Person nicht aufgeben, sondern muss gezielt nachfragen, warum sie so denkt, wie sie denkt. Ich weiß, dass das ein gesamtgesellschaftliches Problem ist und vielleicht sogar das größte Problem, dem wir uns stellen müssen. Aber hier kann jeder nur bei sich selbst anfangen. Sich gegenseitig ernst nehmen. Nachfragen, statt in Schubladen zu stecken. Häufiger loben als kritisieren. Die eigene Haltung genauso überdenken, wie man es von den anderen erwartet. Letztlich sind wir alle Lehrer geworden, um das Beste für unsere Lernenden herauszuholen. Und wenn wir uns in diesem Punkt einig sind, können wir konstruktiv diskutieren, was das Beste ist und wie wir das erreichen können. - Schulung.
Schulung ist für mich ein separates Thema, das oft mit Fortbildung verwechselt wird. Es geht mir hierbei um die Einweisung in Geräte und Software. Das ist sehr wichtig und für den Unterricht unabdingbar. Aber ein Tag, an dem das Kollegium in die Bedienung eines interaktiven Whiteboards eingewiesen wird, kann ich schwerlich als Schulentwicklungstag bezeichnen. Insbesondere weil solche Veranstaltungen kaum nachhaltig sein können. Dafür verändert sich die Technik zu schnell. Geräte-Schulungen sollten beim Hersteller oder Händler mit gebucht und in den Kosten eingeplant werden. Kurze Videotutorials sind schnell erstellt (Kamera raus und los) und dann kann jeder Kollege und jede Kollegin das in Ruhe und im eigenen Tempo ausprobieren und hat die Live-Anleitung jederzeit zur Verfügung. Deshalb erstelle ich auch die „Apps in 90 Sekunden“-Videos. Da kann sich dann jeder selbstständig informieren. Das ist kein Thema, für das man eine dedizierte Fortbildungsveranstaltung braucht. Und hat man dann ein Tool gefunden und weiß, wie man es bedient, kann die tatsächliche Schulentwicklung beginnen. Und das ist der Austausch über Didaktik, Methodik und den Nutzen für den Unterricht.
Denkt man diese zielgerichteten Formate konsequent weiter, kommen schnell konkretere Fragen auf. Wie schafft man einen Spannungsbogen über Fortbildungsangebote? Wie kann man den Effekt einer Veranstaltung evaluieren? Welche Methoden sollten im Mittelpunkt stehen? Wer sollte im Mittelpunkt stehen? Unterricht soll schülerzentriert sein. Sollten Fortbildungen dann nicht Lehrerzentriert sein? Auch hier gibt es viele tolle Ideen. Barcamps und Mikrofortbildungen sind sicherlich ein guter Anfang. Aber warum nicht mit einem Fortbildungsbus kreativ werden? Warum werden viel zu wenige wirklich gute Fortbildungen und Keynotes aufgezeichnet? Es steckt so viel Mühe und Arbeit darin und am Ende kommt es nur bei den 17 Personen an, die im Workshop waren. Und da bin ich wieder bei überregionaler Vernetzung. Ich habe über Twitter in den letzten zwei Monaten mehr neue Impulse bekommen, als über alle anderen Kanäle in den letzten 2 Jahren. Jan Vedder baut seine eigene digitale Lerntheke auf, die jederzeit ortsunabhängig genutzt werden kann. Plattformen wie Fobizz geben tolle Anregungen speziell für Lehrkräfte über MOOC. Ja, vielleicht kostet das ein paar Euro. Aber wir können nicht immer Qualität fordern und dann erwarten, dass alles kostenlos ist. Das gilt insbesondere für Software und Ausstattung an Schulen.
Konsequenzen für Schulleitungen. Lehrkräfte müssen Verantwortung übernehmen und Probleme selber aktiv bearbeiten, um sich weiterzuentwickeln. Dazu brauchen sie konkrete Arbeitsaufträge und Anleitung. Als Schulleitung trägt man zwar die Verantwortung, muss aber nicht alles selber machen. Lehrkräfte haben oft den Willen, sich in Themen zu engagieren, gehen dabei aber oft in eine ganz eigene Richtung, die nicht im Sinne der Schulleitung ist. Deshalb sollten hier konkrete Projektgruppen gebildet werden, die ganz spezifische Arbeitsaufträge erhalten. Die Ergebnisse können hinterher evaluiert und am Arbeitsauftrag gemessen werden.
Beispiel: „Hiermit erhält die Arbeitsgruppe um Frau Keller den Auftrag, sich zu alternativen Raumkonzepten für einen zeitgemäßen Unterricht in der digitalen Welt zu informieren. Perspektivisch soll das bestehende Konzept überarbeitet und das neue Konzept auf der Schulkonferenz beschlossen werden. Dazu sind Hospitationen in entsprechenden Schulen in Deutschland und Fortbildungsbesuche mit diesem Schwerpunkt vorgesehen. Die Ergebnisse der Recherche werden aufgearbeitet und auf der Schulleitungssitzung am 23. März präsentiert.“
Mit einem so konkreten Arbeitsauftrag wird die Initiative der Lehrenden gesteuert und trägt sinnvoll zur Schulentwicklung bei. Der konkrete Auftrag verhindert Frust, da die Arbeit der Lehrkräfte durch die Präsentation gewürdigt wird. Gleichzeitig kann über die Zeit der Erarbeitung über einen gezielten Ausgleich oder eine Anerkennung z.B. in Form von einer Reduktion der Pausenaufsichten nachgedacht werden.
Konsequenzen für mich 1/2. Ich bin nicht der Mittelpunkt der Welt. Wenn ich als Fortbilder in eine Gruppe kommen, geht es nicht darum, was ich zu sagen habe. Die Frage ist vielmehr, was die Kolleginnen und Kollegen vor Ort wissen wollen. Ich suche nach kleinen Gruppen mit konkreten Fragen. Ich versuche, Ideen, Sichtweisen und Haltungen zu beeinflussen. Ich entwickle Material, das die Lehrkräfte vor Ort verwenden können, wenn ich wieder weg bin. Meine Unterstützung und Beratung muss langfristig verfügbar sein und deshalb packe ich die Inhalte, die demonstrieren oder erläutern in Videoform. Vor Ort bringt es nichts, über die 10 besten Apps zu reden. Stattdessen muss man Probleme identifizieren und Lösungsansätze entwickeln. Die 10 besten Apps findet man dann als Videos auf YouTube. Außerdem motiviere und lobe ich, wann immer ich kann. Lehrkräfte, die sich auf den Weg machen, brauchen Unterstützung und Zuspruch. Insbesondere bei dem ganzen Gegenwind und den beschriebenen Arbeitsbedingungen. Ich suche auf Twitter nach denen, die einfach nur mal über ihre Situation schimpfen wollen und spreche ihnen Mut zu. Ich teile tolle Ideen, hebe Positives hervor. Ich bedanke mich, wenn mir jemand wirklich weitergeholfen hat. Aber ich bohre auch nach, wenn ich eine Idee noch nicht verstanden habe. Ich versuche andere Personen zu verstehen, die eine andere Meinung oder Herangehensweise haben. Viele Wege führen zum Ziel. Ob man am Ziel ankommt entscheidet sich nicht danach, ob es meine Idee war. Sondern es entscheidet sich danach, ob der Weg respektvoll, ehrlich und auch kritisch hinterfragt wurde. Und das möchte ich auslösen.
Außerdem teile ich mein Material. Was ich erstellt habe, soll allen zur Verfügung stehen. So wie Jan-Martin Klinge seine Lerntheken teilt. Gerne höre ich mir Verbesserungsvorschläge an. Wie Stefan Schwarz freue ich mich dabei auch, wenn es mal Kritik gibt. Denn nur dann kann ich mich weiterentwickeln. Denn wenn keiner teilt, muss jeder alles selber machen. Und dazu bin ich viel zu faul.
Konsequenzen für mich 2/2. Ich bin der Mittelpunkt meiner Welt. Am Ende des Tages frage ich mich daher, ob ich leben oder funktionieren möchte. Ich investiere viel (zu viel?) Zeit in meinen Beruf. Denn ich kann etwas verändern. Oft so viel, dass meine Gesundheit, meine Laune, mein Privatleben darunter leiden. Das kann man aber nur für eine gewisse Zeit machen. Wenn ich auch in 30 Jahren noch die Welt verändern können will, dann muss ich heute auf mich aufpassen. Es geht darum, Prioritäten zu setzen. Sport und Familie sind wichtiger als die Unterrichtsvorbereitung. Ich brauche soziale Kontakte, die keine Arbeitskollegen sind. Ich muss auch mal „Nein“ sagen dürfen, wenn mir etwas zu viel ist. Muss man immer zu allem „Ja“ sagen, arbeitet man irgendwann an vielen Baustellen und keine wird je fertig. Auch das ist eine Frage der Haltung von Schulleitung und Kollegium. Ich muss auch mal ein „Nein“ akzeptieren können. Es bleibt meine Aufgabe, meine eigene Ressource und Arbeitszeit effektiv zu planen. Dabei steht die Erkenntnis, dass nicht alle Probleme gelöst werden können. Ich stelle mir also immer wieder die Frage: Was ist heute für mich wichtig? Womit kann ich auf das System und die Kolleginnen und Kollegen nachhaltig einen positiven Einfluss auswirken? Und diese Aufgabe erledigte ich so gut ich kann.
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